20 jahre "letztes" spiel

  • folgenden text hatte ich bereits im oktober geschrieben. die ereignisse der vergangenen tage haben ihn aus meiner sicht nur noch bestätigt.


    20 Jahre ist es nun her: Unser vermeintlich „letztes Spiel“ gegen den 1. FC Magdeburg im Dezember 1997. Nur etwas mehr als tausend Zuschauer wollten damals dieser mutmaßlichen Beerdigung beiwohnen. Nicht einmal alle, die sonst immer kamen, waren dabei. Wer fernblieb, hatte dafür einen Grund: Laut vernehmlich pfiffen es die Spatzen damals noch analog von den Dächern (täglich online aktiv waren 1997 keine 50 Unioner): Der 1. FC Union war pleite und würde nach der Winterpause den Spielbetrieb in der Kreisliga C, der niedrigsten Spielklasse, fortsetzen – wenn überhaupt. Für mich persönlich war Letzteres keineswegs unvorstellbar: In der Nachwendezeit hatte sich bereits der Verein meiner Kindheit und Jugend - trotz erfolgreicher Qualifikation für den DFB-Pokal - über Nacht aufgelöst und zwar quasi rückstandsfrei. Dagegen ist jeder ordinäre Abstieg mental ein Sonnenuntergang auf den Malediven.


    1997 glaubte vermutlich niemand daran, dass je ein VfB Stuttgart einen Abpfiff an der Alten Försterei herbeisehnen oder ein 1. FC Kaiserslautern mal hier bereits zur Halbzeit aussichtslos hinten liegen würde. Wie wir heute wissen, kam es anders. Dass wir wie Phönix aus der Asche stiegen (und das sogar zwei Mal) ist einigen großen, aber auch vielen kleinen, namenlosen Rädchen zu verdanken. Etwas Glück war auch dabei (z.B. als einige Jahre später eine zunächst geplante Aufstiegsrelegation - ausgerechnet wieder gegen den 1. FC Magdeburg - noch rechtzeitig vom DFB ersatzlos gestrichen wurde), aber insgesamt hat sich der 1. FCU seine heutige Prosperität auf die mühsame Tour erarbeitet. Vereine, die 1997 noch einen anderen Stern bewohnten, wie 1860 München oder Hansa Rostock, wurden überholt. Ein großer Teil der Rivalen des ersten Zweitligajahres 2001/02 spielt heute in der 4. Liga oder noch tiefer, wie z.B. erfreulicherweise das aufgepumpte LR Ahlen. Allerdings tauchten in den vergangenen 20 Jahren auch zwei Vereine – genauer gesagt: Fußball-Unternehmen – wie Ahlen aus dem Nichts auf, verschwanden jedoch nicht wieder von der Bildfläche, sondern überholten ihrerseits Union (und viele andere): Leipzig und Hoffenheim investierten schlicht noch erheblich mehr als Ahlen.


    Was können wir aus all dem lernen? Viel zu investieren hat sich für Leipzig und Hoffenheim gelohnt – beispielsweise für 1860 oder den HSV dagegen nicht. Geld schießt zwar Tore – aber nicht immer genug. Sieg und Niederlage, Erfolg und Scheitern liegen häufig nur minimal auseinander. Oft entscheiden banale Nuancen, auf die man selbst gar keinen Einfluss hat, über das eine oder das andere.


    Union strebt seit einigen Jahren mehr als nur halbherzig in die 1. Liga und geht dafür Risiken ein. Risiken sind per se nicht gefährlich - um langfristig zu überleben oder gar zu wachsen muss man sie sogar eingehen. Risiken sind dann gefährlich, wenn man sie nicht (mehr) kontrollieren bzw. beherrschen kann. Solange sich Unions Entscheider darüber im Klaren sind, wie zufällig vieles auf dieser Welt ist, und das deshalb alle großen Risiken (z.B. Stadionausbau) sorgfältig ausbalanciert werden müssen, brauchen wir kein weiteres „letztes Spiel“ des 1. FC Union zu befürchten. Aber: Geschenkt bekommen wir Nicht-Entscheider diesen sorglosen Zustand nicht. Es ist unsere Pflicht, unsere Entscheider kritisch zu begleiten. Das sehe ich als das wichtigste Vermächtnis des trostlosen Nachmittags von 1997.


    EISERN

    Nach 20 Jahren sage ich dem Unionforum "Lebewohl". Ein Ort, wo sich manisch auskotzende Hater alle anderen Diskussionen überlagern, die sich auch nicht zu schade sind, mit Stasi-Methoden gegen Leute vorzugehen, die eine andere Meinung haben, ist nicht (mehr) mein Ort.

  • Ich weiß noch, wie wir (ein Kumpel und ich) ein paar Tage vor dem vermeintlich letzten Unionspiel zur Geschäftsstelle an der Hämmerlingstraße gefahren sind und gefragt haben, wie wir helfen können. Wir haben dann Tickets in die Hand gedrückt bekommen und haben vor dem damals gerade neu gebauten Kaufland an der Friedrichshagener Str. versucht die Tickets zu verkaufen. Zwei Stunden lang haben wir da aktiv Menschen angesprochen. Niemand, wirklich niemand wollte eine Karte kaufen. Es hat auch kaum einen wirklich interessiert. Bedröppelt wie die Pudel sind wir dann zurück zur Geschäftsstelle... Heute unvorstellbar, aber so war es anno 1997. In Köpenick.

  • Ja, so lange ist das nicht her. Ohne Michael Kölmel (und auch Heiner Bertram) wäre es wohl auch so gekommen, Beispiele gibt es zuhauf.

    Gefühlt hatte uns nach dem legendären Last-Minute-Sieg in KMStadt das Glück verlassen, für ca. 13 Jahre, und selbst dann gab's ja nochmal einen heftigen, wenn auch kurzen Durchhänger.

    Wahrscheinlich ist unsere "Phönix aus der Asche"-Geschichte, zumindest in Deutschland, einzigartig.

    Vielleicht berechtigt uns das zu einer "großen Fresse" und gleichzeitig sollte uns das vor einer "großen Fresse" bewahren.

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