Oliver Ruhnert

  • Wo ich die Dame gerade im Interview sehe, hab ich das egtl. halluziniert oder geträumt oder haben sich Christian Arbeit und unsere Pressedame auf Sky während eines kurzen Interviews nach dem Spiel geküsst?

    Bin gerade echt nicht sicher.

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  • Interview mit Oliver Ruhnert:"Es gibt Klubs, die in der Champions League komplett abgedreht sind"

    7. Juli 2023, 16:26 Uhr

    Lesezeit: 9 min


    Manager Oliver Ruhnert muss bei Union Berlin einen Kader bauen, der Königsklasse und Abstiegskampf kann. Ein Gespräch über surreale Erfolge, den deutschen Fußball - und seine Kritik an Personalentscheidungen von Bundestrainer Flick.


    Interview von Javier Cáceres, Berlin

    Ehe der Manager Oliver Ruhnert, 51, sich im VIP-Raum des Stadions An der Alten Försterei zum Interview an einen Tisch setzt, bittet er noch mal ans Fenster und lenkt den Blick aufs Spielfeld, wo gerade eine neue Drainage verlegt wird - für die kommende Saison, die auch für ihn eine besondere sein wird: Als Tabellenvierter der abgelaufenen Bundesliga-Saison darf der 1. FC Union Berlin erstmals in der Champions League antreten. Die Heimspiele der Königsklasse werden die Köpenicker allerdings im Olympiastadion austragen. "Ich persönlich finde es schade", sagt der Sport-Geschäftsführer Ruhnert, aber es sei unumgänglich: Würde Union im eigenen Stadion (Kapazität: etwa 22 000 Zuschauer) spielen, müsste man wegen der Auflagen der Uefa zu viele Fans und Klubmitglieder außen vor lassen. Keine leichten, aber ausgesprochen spannende Tage sind das also gerade in Berlin-Köpenick.


    SZ: Herr Ruhnert, der 1. FC Union ist als Champions-League-Teilnehmer in die Saisonvorbereitung gestartet. Wie fühlt sich dieses Label an, gut fünf Wochen nach dem Ende der Vorsaison?

    Oliver Ruhnert: Wir haben oft gesagt, wie surreal sich viele Dinge anfühlen, und sie sind weiterhin surreal. Vielleicht wird es noch surrealer, wenn Ende August die Auslosung stattfindet.


    Die Fans singen dazu an der Alten Försterei ein selbstironisches Lied: "So 'ne Scheiße, so 'ne Scheiße, so 'ne Scheiße ... Champions League!" Beschleicht Sie dieser Gedanke auch?

    Ich würde eher sagen: Wir müssen uns bewusst sein, dass wir Champions League spielen, aber kein Champions-League-Klub sind.


    Was bedeutet das?

    Dass wir da mitspielen werden, weil alle Beteiligten eine großartige Leistung erbracht haben. Es ist eine Riesenehre. Aber der Wettbewerb spiegelt Union von den wirtschaftlichen und sportlichen Kriterien her eigentlich nicht wider.

    Seit der ersten Saison von Ihnen und dem Trainer Urs Fischer bei Union, damals noch in der zweiten Liga, ist es stets bergauf gegangen. Welche Erklärung haben Sie?

    Viele Experten sagen, dass hier funktionierende Automatismen etabliert wurden. Die Mannschaft spielt Fußball, der Trainer konzentriert sich auf die Mannschaft, Manager und Präsidium auf alles Weitere. Auf all diesen Ebenen wird exzellente Arbeit geleistet.

    Diese Experten sagen auch: Besonders erfolgreich war der Kaderbau von Ruhnert und seinem Team.

    Wir hatten Gott sei Dank mit unseren Ideen Erfolg. Das kann man nicht wegdiskutieren. Aber: Wir hatten Ideen - die Umsetzung lag in der Hand des Trainers und seines Teams.

    Wenn Union Champions League spielt, ohne ein Champions-League-Klub zu sein - was ist Union denn nun?

    Ein Verein, der beginnt, sich in der Bundesliga zu etablieren. Ich glaube, das kann man so sagen, wenn man jetzt die fünfte Spielzeit hintereinander in der ersten Liga bestreiten darf. Das hätte nach dem Aufstieg kaum einer für möglich gehalten. Nun kommt noch dazu, dass wir (nach dem Abstieg von Hertha BSC; d. Red.) erstmal allein die Hauptstadt in der Bundesliga vertreten.

    Union reklamiert jetzt den Titel "Hauptstadtklub" für sich, den sich immer Hertha auf die Fahne geschrieben hat?

    Nein, das tun wir nicht. Es ist nur Fakt, dass wir der einzige Berliner Verein in der ersten Liga sind. Ich persönlich werde die Derbys vermissen. Für die Hauptstadt Berlin waren sie großartig. Und das sage ich nicht, weil wir in den letzten beiden Spielzeiten gegen Hertha alle Punkte behalten haben.

    Wir unterstellen mal, dass der Trainer Fischer für die kommende Spielzeit wieder das Ziel ausruft: 40 Punkte. Wie lange kann man so ein niedrigschwelliges Ziel ausgeben, ohne sich selbst für unglaubwürdig zu halten?

    Ich halte das nicht für niedrigschwellig. 40 Punkte zu holen ist alles andere als einfach. Deswegen halte ich die Einschätzung des Trainers für richtig und stütze sie voll und ganz. Man hat doch in den letzten Jahren gesehen, wie viele Mannschaften - auch namhafte - die 40 Punkte gar nicht erreicht haben.

    Steht dieses Ziel für Angst vor Höhenluft?

    Wieso Angst? Im Gegenteil! Je dünner die Luft, desto besser geht es uns doch.

    Aber?

    Wir beziehen unseren Halt zu wesentlichen Teilen daraus, dass wir uns treu bleiben. Wir wissen, dass wir hier ein Märchen erleben. Dass wir uns nur nach oben bewegt haben, ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass Fußball nur in einem bestimmten Maß planbar ist.

    Muss Union jetzt zwangsläufig einen Rückschritt einpreisen?

    Die Wahrscheinlichkeit, dass wir jetzt wieder 14 Vereine hinter uns lassen, ist halt so hoch, wie sie ist. Es gibt viele Beispiele von Klubs, die in die Champions League gegangen und dann komplett abgedreht sind, bis hin zum Abstieg. Da muss man sich immer wieder sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten, konzentrier dich auf die Liga! Champions League sind sechs Spiele, die wir genießen werden. Aber es sind erst mal nur sechs Spiele.

    Hat sich durch das neue Szenario Ihr Alltag verändert?

    Ich merke, dass ich deutlich mehr unterwegs bin, mehr Gespräche führen, noch konzentrierter nach Lösungen suchen muss.

    Weil Sie das eine tun, ohne das andere zu lassen? Sprich: Teurere Marktsegmente durchforsten, aber zugleich die alten Märkte bearbeiten?

    Ja. Wir sind noch nicht so weit, die alten Märkte zu verlassen.


    Die Champions League bringt eine Zusatzeinnahme von garantiert 16 Millionen Euro. Das könnten Sie doch, wenn sie sich schon um Spieler wie Robin Gosens von Inter Mailand bemühen, eins zu eins in die Mannschaft investieren?

    Union hat immer proklamiert, in die Mannschaft, gleichzeitig aber auch in die Infrastruktur und in den gesamten Verein zu investieren, um Nachhaltigkeit zu erzeugen. Das sieht man auch jetzt, durch die neuen Plätze, die entstehen, durch den Ausbau des Stadions ...

    Wenn Sie um neue Spieler werben, kehren Sie dann nicht hauptsächlich die Champions League als Lockmittel hervor?

    Das kommt von allein. Die Spieler, die uns angeboten werden - oder von ihren Beratern so ins Gespräch gebracht werden, dass wir damit medial konfrontiert werden -, die stehen in einem anderen Regal als in dem, das wir uns früher angeschaut haben. Wir verhandeln jetzt mit Parteien, die auch mit Real Madrid, Manchester City oder Juventus Turin sprechen. Da sind einige Spieler dabei, wo wir sagen: Interessant, aber nicht annähernd darstellbar. Wir wollen uns auch viele Dinge nicht leisten, das ist für die Gegenseite dann oft nicht nachzuvollziehen. Aber unsere Frage lautet: Wie kriegen wir unsere Kernaufgabe Bundesliga mit dem Anreiz Champions League so kombiniert, dass es wieder eine gute Saison wird?

    Sie müssen Spieler holen, die im Zweifelsfall auch im Abstiegskampf die Ärmel hochkrempeln?

    So ist es. Es geht bei uns elementar darum, im Erfolg nicht große Fehler zu begehen.

    Ist bei den jetzigen Spielern das Bewusstsein vorhanden, dass Rückschritte einprogrammiert sind?

    Auch da müssen wir aufpassen. Es dürfen sich nicht zu viele Spieler nur über die Champions League definieren. Wir müssen ein Team behalten, das weiß: Wir spielen für Union - nicht für die Champions League.

    In den Medien wurde Union zuletzt mit Transfers in Verbindung gebracht, die mit zweistelligen Ablösesummen einhergehen würden. Ähnlich wie der SC Freiburg ...

    Freiburg kann das aber auch stemmen!

    Union nicht?

    Freiburg ist seit 13 Jahren fast durchgehend in der Bundesliga, kerngesund, hat ein anderes Fassungsvermögen im Stadion und eine ganz andere Infrastruktur. Freiburg ist viel weiter als wir.

    Zuletzt war Unions Personalpolitik immer von viel Fluktuation geprägt. Wird das wieder so sein?

    Absolut.

    Gefällt Ihnen das?

    Das ist nicht die Frage. Ich glaube, dass eine Entwicklung anders kaum möglich wäre.

    Spieler, die funktionieren, werden interessant für andere Klubs. Konkret gefragt: Was passiert mit dem Stürmer Sheraldo Becker, der in der Vorsaison Unions Top-Torjäger war und nun bei englischen Klubs gehandelt wird?

    Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sheraldo für sich gerne den nächsten Schritt gehen würde. Andererseits hat er natürlich auch davon geträumt, mal Champions League zu spielen. Darum schlagen, glaube ich, gerade zwei Herzen in seiner Brust. Mal sehen ...

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    Wie lange jubelt er noch an der Alten Försterei? Union-Stürmer Sheraldo Becker. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)



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  • Ähnliches gilt für Innenverteidiger Danilho Doekhi, der Angebote aus Italien haben soll.

    Nein, das ist ein großer Unterschied. Danilho ist erst 25, er wird noch lange für den großen Markt interessant bleiben. Becker ist jetzt 28, und so überragend viel hat er in seiner bisherigen Karriere nicht verdient, dass ich ihm den Gedanken an einen erheblich besser dotierten Vertrag verübeln könnte.

    Obwohl wir vermuten: Auch Sie haben die Gehälter aufgestockt.

    In den ganzen letzten Jahren schon, logischerweise. Wir haben mit Zweitligaverträgen angefangen, wir wurden immer aufs Neue von der Entwicklung überholt. Aber wir bewegen uns nach wie vor auf einem Level, das unter dem Niveau von einigen Klubs liegt, die nicht mal international spielen.

    Was bei Union fehlt, sind Spieler aus dem eigenen Nachwuchs.

    Diese Entwicklung muss folgen. Das neue Trainingszentrum für unser Nachwuchsleistungszentrum wird uns da einen Schub geben. Aber: Nachwuchs dauert! Wir haben gerade mit Aljoscha Kemlein und Yannic Stein zwei Spieler aus dem Nachwuchs bei den Profis, die wir sehr, sehr spannend finden.


    Ist Union im Moment die einzige Erfolgsgeschichte im deutschen Fußball?

    Freiburg, Bochum - es gibt einige Erfolgsgeschichten, die die Bundesliga interessant machen.

    Anders gefragt: Wie blicken Sie auf die Lage des deutschen Fußballs?

    Ich bin wie alle enttäuscht über die Ergebnisse der Nationalmannschaft. Aber ich kann da nicht entsetzt reagieren. Ich sage schon seit einiger Zeit, dass ich Einiges nicht gut finde. Aber eins ist auch klar: Wir haben genügend gute Spieler, um nächstes Jahr eine erfolgreiche Heim-EM spielen zu können.

    Bundestrainer Hansi Flick ...

    ... ist nicht mein Thema.

    Aber es fiel schon auf, dass Flick sich schwer tat, Spieler zu holen, die bei erfolgreichen Liga-Teams in Form waren. Zum Beispiel bei Union.

    Ich kann da nur unterstreichen, was Experten wie Lothar Matthäus oder Bastian Schweinsteiger adressiert haben: Einen Rani Khedira kontinuierlich nicht zu nominieren, ist für mich nicht nachvollziehbar. Er hat über zwei Jahre hinweg national und international starke Leistungen gezeigt. Meine These: So ein Spieler hätte eine 1:0-Führung gegen Japan bei der WM über die Bühne gebracht. Aber das sind nicht unsere Entscheidungen.

    Haben Sie darüber mit Flick gesprochen?

    Ich kommuniziere in der Regel mit der Direktion Nationalmannschaft. Den direkten Austausch gibt es zwischen Urs Fischer und Hansi Flick. Sein Trainerteam sagt, sie entscheiden leistungsabhängig - ich sage: machen sie nicht.




    Muss man nicht feststellen: Es gibt im Moment europaweit nicht sonderlich viele überragende Nationalteams?


    Aber die gewinnen ihre Spiele trotzdem.

    Fehlt der deutschen Elf die Qualität, wie Sportdirektor Rudi Völler es nach der jüngsten Niederlage gegen Kolumbien beklagte?

    Du kannst dann erfolgreich werden, sein oder bleiben, wenn du Hunger hast. Und mein Eindruck ist, dass man diesen Hunger bei vielen Jungs wecken muss. Wenn man sich anschaut, wer in Frankreich durchkommt, sind es häufig Spieler mit Migrationshintergrund oder aus sozialen Brennpunkten. In England ist das häufig auch der Fall. Früher war das in Deutschland auch so.

    Warum ist dieser Hunger verlorengegangen? Woran krankt der deutsche Fußball?

    Sicher nicht an der fußballerischen Ausbildung. Die leisten mittlerweile alle Nationen auf einem guten Niveau, alle haben gute Trainer. Das Entscheidende bleibt für mich, dass du Typen auch Typen sein lassen musst. Das haben wir in den letzten Jahren vergessen, weil alle Nachwuchsleistungszentren im Grunde Stereotype ausbilden, während der Straßenfußball ausstirbt. Wo sieht man das denn noch, Straßenfußball? In Berlin, in den Hochhaussiedlungen, da spielen 80 Leute im Käfig. Aber sonst?

    Wie schafft man Abhilfe?

    Man muss die Jungs im Training mehr dribbeln und spielen lassen, sie auch nicht für jeden Fehler kritisieren. Wir haben ja schon etwas erreicht, weil man die Jungs heute nicht mehr Medizinbälle schleppen lässt. Nur: Wenn man am besten schon als E-Jugendtrainer lizensiert sein soll, führt es am Ende dazu, dass alle Fußballer im Grunde nach Schema F groß werden. Aber wenn ich auch mal etwas Positives sagen darf ...

    Bitte.

    Ich finde es gut, dass Sandro Wagner als U20-Co-Trainer zum DFB geht, dass man also wieder weggeht von den so genannten Laptop-Trainern, hin zu mehr Authentizität, zu Ansprache, zu Charakteren.



    Was werden Sie hier an Ihrem Nachwuchsleistungszentrum anders machen?


    Ich weiß nicht, ob wir viel anders machen können. Die Leitungen dürfen sich ja gar nicht darüber definieren, eigene Ideen zu haben, sondern über die Zertifizierung durch den DFB. Das hat Folgen. Ich weiß nicht, ob die Boateng-Brüder oder ein Leroy Sané heute noch durchgehen würden oder ob sie nicht aus dem NLZ-System rausgeschmissen würden. Weil wir in den gegenwärtigen Strukturen versuchen, alle gleich zu machen. Und das ist ein großes Problem. Allein schon, weil jeder Verein, jede Stadt eine eigene Charakteristik hat. Ein Junge, der in Berlin aufwächst, wächst anders auf als ein Spieler im NLZ des SC Paderborn.

    Sie selbst wurden als möglicher DFB-Sportdirektor gehandelt. Wie akut war das?

    Ich habe oft gesagt: Selbstverständlich könnte ich mir grundsätzlich so etwas vorstellen, weil ich aus dem Nachwuchs komme und weil ich weiß, wie der Profifußball funktioniert. Aber ich habe auch immer gesagt, dass ich weder einen Grund noch den Wunsch habe, Union zu verlassen.


    https://www.sueddeutsche.de/sp…hampions-league-1.6006927

  • Oliver Ruhnert ist einfach der Beste. Immer klar in der Ansprache, direkt und verbindlich. Zudem ist er ein Fachmann, der seinen Job hervorragend ausfüllt.


    Wir können sehr zufrieden sein, dass er gerade für uns arbeitet. Hoffentlich bleibt das noch lange so.

    Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das was uns fehlt.

    Artur Schopenhauer

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