Eisern
ich war gestern vor Ort und obwohl gerade die erste Hälfte eine absolut grandiose Feelgood-Veranstaltung war, bin ich doch etwas ernüchtert nach Hause, was weniger an den Inhalten der MV als an der Organisation lag:
Das Tempodrom liegt zwar zentral, aber für die meisten Unioner dann doch nicht um die Ecke. Ich bin direkt aus dem Büro hingefahren. Schlauerweise hab ich meinen Rucksack über Nacht im Büro gelassen. Taschenabgabe 5€ - Inflation lässt grüßen…
Gleich nach Einlass der nächste Knaller: zum Essen gibts Nachos und Popcorn, Becks für 9€. Im Saal waren Essen und Trinken verboten.
Ich saß von kurz vor sieben bis halb zwölf ohne Trinken oder Essen im Saal. Klar gab es die Möglichkeit, zwischendurch rauszugehen, aber dann hat man von der Veranstaltung nichts mitbekommen. Eine Pause gab es nicht.
Um 23:15 haben wir dann kurz überschlagen, dass die Vorstellung der restlichen Aufsichtsratsmitglieder und Wahl noch mindestens eine Stunde dauern wird und ich dann keine Möglichkeit mehr haben werde, zu einem angemessenen Zeitpunkt zuhause zu sein - heute bin ich wie sicher die meisten anderen Unioner nämlich arbeiten und musste mich zwischen der Abgabe meiner Stimme und einer gesunden Dosis Schlaf entscheiden. Ich hab mich für die sechs Stunden Schlaf entschieden - und damit war ich bei Weitem nicht die Einzige. Bei der ersten Probe-Abstimmung haben ca 1450 Leute teilgenommen. An der Entlastung des Aufsichtsrats/Ehrenrats dann nur noch ca 2/3 davon. Mich würde ja interessieren, wie viele dann am Ende tatsächlich noch den Aufsichtsrat gewählt haben, sicher nicht mehr als 700 - und da muss sich die Vereinsführung dann klar die Frage gefallen lassen, ob sich die Veranstaltung außerplanmäßig so in die Länge gezogen hat, oder ob darauf spekuliert wurde, dass nach dem Feelgood-Part ein Großteil nach Hause geht und nur noch ein absoluter Bruchteil unserer 48.000(!) Mitglieder an der wichtigsten Wahl für Vereinsmitglieder teilnimmt welche dann Dienstag nachts um halb eins stattfindet. Gleich wie die Antwort darauf ausfällt, hat der Verein hier für mich auf ganzer Linie versagt. Das kann und darf so nicht sein - und meiner Meinung nach macht sich die Vereinsführung hier auch unnötig angreifbar. Klar, im Moment läuft alles mehr als super und die allermeisten stehen geschlossen hinter der Vereinsführung, aber das einem hier alle Entscheidungen quasi abgenommen werden kann in Zukunft halt auch mal stark nach hinten los gehen. Da kann man auch gern anderer Meinung sein, aber ich denke, der Verein täte gut daran, unsere demokratischen Werte auch im Zuge einer weniger schwierig zugänglichen Wahl auszuleben.
Das bringt mich dann auch noch zu meinem zweiten Punkt, wo es mir ebenfalls weniger um den Inhalt als um den Umgang mit dem Thema geht: Zingler’s Äußerung zum Thema vegane Bratwürste. Ich selbst gehöre zur Steak-Fraktion und würde mir selbst auch keine vegane Bratwurst im Stadion kaufen, aber die saloppe Aussage “es gibt einfach keine Nachfrage” hat mich etwas verwundert. Wie wurde das denn bestimmt? Gab es dazu eine Befragung von der ich nichts mitbekommen habe? Bei mir im Umfeld steigen immer mehr Unioner auf vegane Alternativen um. Vielleicht bin ich da auch in einer exklusiven Blase, aber die Diskussion könnte und meiner Meinung nach sollte man tatsächlich mal mit einer Mitgliederbefragung klären. Keiner will, dass es keine “echten” Bratwürste mehr gibt, aber wir verlieren doch nicht unsere “Bratwurst und Bierkultur” nur weil auf dem Grill daneben noch ein paar vegane Würste liegen. Für mich wirkt das Ganze etwas sehr verbissen für ein Thema, welches man doch eigentlich relativ einfach zur Zufriedenheit aller lösen könnte - oder übersehe ich hier etwas?
Der Umgang mit diesem Thema wunderte mich umso mehr, wenn man es mit der Antwort auf Schrippe’s Wortmeldung zum Thema Papiertickets vergleicht (falls du hier mitliest: vielen Dank dafür <3): Zingler bestätigte, man arbeite daran, dass sich Unioner das Ticket im Stadion am Spieltag an speziellen Stationen ausdrucken lassen können - was für eine super Lösung! Aber jetzt meine Frage: wie viele Unioner lassen sich am Ende tatsächlich das Heimticket gegen den Brauseclub ausdrucken? Sind das mehr Unioner als sich eine vegane Bratwurst kaufen würden? Ist die Nachfrage nach Papiertickets wirklich so viel größer?
Nochmal: ich will mich hier nicht am Inhalt aufhängen, aber der unterschiedliche Umgang mit den beiden Themen hinterlässt den Eindruck, dass bei uns Themen nach der persönlichen Präferenz der Vereinsführung angegangen werden und es ein wirkliches Mitspracherecht für alle Mitglieder dazu so nicht gibt.
Der Vereinsführung war es ja anscheinend bewusst, dass beide Themen die Unionfamilie beschäftigen - warum dann nicht im Zuge der MV eine kurze Umfrage starten, ob der Verein bei einem oder beiden aktiv werden soll?
Ich bin der Meinung, dass die Vereinsführung es gestern verpasst hat, den Mitgliedern vor Ort das Gefühl zu geben, dass wir wirklich ein Mitspracherecht bei Entscheidungen haben und wir uns doch bitte damit abfinden sollen, dass sie schon das Richtige für den Verein tun. Der Erfolg gibt ihnen Recht — aber gerade in diesem Moment des Triumphs sollte man die Mitglieder doch nicht von oben herab mit einem “wir wissen was das Beste für Union ist” abspeisen, sondern gemeinsam demokratisch an einem Strang ziehen - oder wie seht ihr das?