Valkeakoski
Was für eine Zeit. Im Pokalfinale gegen Schalke hatten wir als Regionalligist grandios dagegengehalten, leider hatte dieser Jörg Böhme was dagegen. So konnte der "Meister der Herzen" (was für ein Begriff) wenigstens den Pokalgewinn feiern. Und da Schalke als 2. der Tabelle für die Champions Ligue qualifiziert war, freuten wir uns auf Europa.
Union im UEFA-Cup, unsere 2. Chance nach 1968, als uns damals die politische Lage einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
Alle fieberten der Auslosung entgegen, die uns letztendlich (oder sagt man heute als Unioner besser schlussendlich) den finnischen Meister HAKA Valkeakoski bescherte.
Ich dachte bei mir, Valkeakoski, da kommst du doch nie hin. Doch mein Verein schnürte ein Paket mit Charterflug und Eintrittskarte, an einem Tag früh hin, abends zurück.
Erst mal an eine Karte rankommen, besser an zwei, denn ich wollte meinen großen Bruder (älteren Unionern noch als Ente bekannt, seit 1968 Unionfan) mitnehmen, sozusagen als Dankeschön, dass er mich damals ,mit zu Union genommen hat (der Unionvirusüberträger sozusagen).
Verrückt, wie die Unioner so sind, wurde sich schon am Abend vor dem Beginn des Kartenverkaufs angestellt, besser gesagt, die "Kranken" machten dort Camping.
Ich also am nächsten Morgen zur Öffnungszeit hin, mich an das Ende der Schlange angestellt. Hinter mir kam dann zum Glück keiner mehr.
Und es kam, wie es kommen sollte, als ich dran war, gab es noch 2 Karten, die letzten 2. Nach einiger Diskussion, der Mensch an der Kasse wollte mir nur eine geben, bekam ich dann doch alle beide (wie gesagt, hinter mir kam keiner mehr).
Ab nun also Vorfreude. Bis zum 11.September 2001. Was da passierte, weiß jeder. Sollte Unions EC-Debüt tatsächlich wieder der politischen Lage zum Opfer fallen? Und ich diesmal mitten drin? Die Europapokalwoche wurde zu meinem Glück um eine Woche verschoben. Die Unioner, die schon angereist waren oder auf dem Weg dorthin, hatten nicht so ein Glück.
Also am großen Tag morgens mit dem Auto nach Schönefeld, Atze und ich. Dort angekommen, unter die Unioner gemischt. Da war auch einer bei, der hatte einen DDR-Schal dabei und wurde gleich mal von einem Unioner, der die DDR-Zeit scheinbar nicht in so guter Erinnerung hatte, angepflaumt, den schön wieder wegzupacken.
Mit dem Flugzeug ab nach Tampere, dort in den Bus (unseren blonden Busfahrer haben wir gleich Mika Häkkinen getauft, so fuhr er auch). Ein paar Jungsche haben bei der Ankunft in Valkeakosi vom Busfahrer gleich wissen wollen, wo sich das nächste Bordell befindet, keine Ahnung, ob sie dann dort waren.
Auf dem Marktplatz in Valkeakoski stand ein (schwarzer) Kleinbus mit Berliner Nummer, Türen auf, Unionhymne in voller Laustärke, überall Fahnen und Unioner.
Lauter staunende Valkeakosijaner.
Ich bin mit Atze (beide mit den roten Perücken) durch das Städtchen gestreift, wir waren im Fußballmuseum (dort hing schon ein Unionwimpel), wir haben am See einen gebildeten finnischen Penner mit Fahrrad getroffen (der konnte finnisch - logisch, englisch und ein bisschen deutsch), der hat uns aus einem Kanister was zu trinken angeboten, haben wir aber abgelehnt, wir wollten ja noch das Spiel sehen.
Schönes kleines Stadion (wie wir es ein paar Jahre später in der OL-Saison auf dem Dorfe öfter antreffen sollten), Muttis hatten Tapeziertische aufgestellt, wo es Kuchen und Würste gab, der Fanshop wurde geplündert (von einigen, die sich nicht benehmen konnten im wahrsten Sinne des Wortes) und wir haben die schöne Holztribüne eingenommen.
André Rolle hat die Mannschaftsaufstellung für uns verlesen und dann haben wir Support über 90 Minuten gemacht. Jeder, dem was eingefallen ist, hat angestimmt und alle haben mitgemacht.
Der mit dem DDR-Schal hat seinen blöden Schal wieder vorgeholt, der, der ihn schon am Flughafen angepflaumt hatte, hat ihm das Ding weggenommen und angezündet. Kamen gleich zwei Ordner wegen Brandschutz und haben ihn abgeführt, aber gleich wieder freigelassen.
Auf der Haupttribüne hat die Valkeakoskifankapelle Blasmusik gespielt und wir haben ein 1:1 geholt.
Der Trainer der Gastgeber hat hinterher gesagt, die Unioner haben mehr Stimmung gemacht, als die Liverpooler, die hier vorher in der CL-Quali 3:0 gewonnen hatten, es war die beste Stimmung seit Jahren.
Rückzu hat Atze dann im Flughafen Tampere noch eiskaltes Wasser aus dem Wasserspender getrunken, was ihm nicht bekommen ist, so dass er die Flugzeugtüten gewässert hat und ich zwei Essen hatte. Alle Unioner um uns rum haben ihm Kotztüten gespendet, die Stimmung war grandios.
Dem Flugkapitän hats auch Spaß gemacht, jedenfalls hat er es bei der Verabschiedung behauptet.
Union im Europapokal - Europapo.... und ich war beim ersten Mal dabei. Das kann mir keiner mehr nehmen, ich hab immernoch Gänsehaut, wenn ich dran denke.
Das Rückspiel haben wir dann im Jahntierpark vor einer für heutige Verhältnisse lächerlichen Kulisse 3:0 gewonnen und sind damit in die 2. Runde eingezogen.
Dort ging es gegen Litex Lowetsch aus Bulgarien (weiß nicht, ob es die heute überhaupt noch gibt), aber das ist eine neue Geschichte, die kann ein anderer Unioner erzählen...